Das Paradox der Verbraucherinformationen: die Entwicklung von Verbrauchermotivationen und Verbraucherverhalten

Zuletzt aktualisiert : 25/11/2015
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    Gesteigertes Interesse an verantwortlicher und authentischer Lebensmittelproduktion und verantwortlichem und authentischem Lebensmittelkonsum führt dazu, dass mehr Informationen auf Lebensmitteletiketten erscheinen. Gleichzeitig verändern sich die Grundprinzipien nicht, nach denen Verbraucher Lebensmittel auswählen: Verbraucherentscheidungen sind meistens einfach, schnell und auf Gewohnheit basierend. Wie können wir die Notwendigkeit, auf Lebensmittelprodukten mehr Informationen anzubieten, mit der Abneigung der Verbraucher in Einklang bringen, beim Lebensmittelkauf nachzudenken?

    Professor Klaus Grunert

    Die Grundlagen des Verbraucherverhaltens 

    Verbraucher kaufen Lebensmittel aus vielen verschiedenen Gründen: für den Genuss, für die Ernährung, um Neues zu erleben, um zu zeigen, wer sie sind.1 Lebensmittelprodukte sind im Überfluss vorhanden und unterscheiden sich durch den Grad, zu dem die Verbraucher glauben, dass sie diesen Ansprüchen genügen. Verbraucher müssen also viele mit mehrfachem Abwägen verbundene Entscheidungen treffen. Um Informationsüberflutung und kognitiven Stress zu vermeiden, greifen Verbraucher deshalb auf vereinfachte Entscheidungsprozesse zurück. 

    Menschliche Entscheidungsfindung wird oft in zwei Kategorien unterteilt − in hohem Maße bewusste, wohl überlegte Entscheidungen mit hohem Aufwand und halb-bewusste, spontane und vereinfachte Entscheidungen.Die meisten Lebensmittelkäufe fallen in die zweite Kategorie. Verbraucher nehmen sich nicht viel Zeit zur Lebensmittelwahl, ignorieren eine Menge der verfügbaren Informationen und entscheiden auf der Basis einiger weniger Kriterien. Typische Hauptkriterien sind Preis und Marke, aber viele Entscheidungen basieren auf Gewohnheit.

    Trends zu Verantwortlichkeit und Authentizität 

    Während Verbraucher vergleichsweise wenig Informationen für die Lebensmittelwahl nutzen, besitzen wir heute mehr Informationen auf Lebensmitteletiketten als je zuvor.

    Trend zur Verantwortlichkeit 

    Verbraucher stehen unter Druck, mehr Verantwortung für die Folgen ihrer Entscheidungen zu übernehmen. Jahrzehntelange Diskussionen über gesundes Essen führten zu einem Druck, gesunde Entscheidungen zu treffen und in letzter Zeit wurde dies ausgeweitet auf den Druck, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Die Lebensmittelindustrie reagierte auf diesen Trend, indem sie ihre Produkte zunehmend über Gesundheitsnutzen und nachhaltige Herstellung positionieren. Gesundheitsnutzen und Nachhaltigkeit sind jedoch immaterielle Produkteigenschaften; sie müssen vermittelt werden. Deshalb gab es ein rasches Anwachsen an Ernährungsinformationen, Gesundheitslogos, gesundheitsbezogenen Angaben und Umweltgütezeichen auf Lebensmittelprodukten.4-6 

    Trend zur Authentizität 

    Gesteigertes Interesse besteht auch an Lebensmitteln, die als wahrhaftig, ehrlich und aufrichtig wahrgenommen werden, was zu einem gesteigerten Interesse an der Herkunft und Herstellung von Lebensmitteln geführt hat.Lebensmittel aus der Region, traditionelle Lebensmittel und minimal verarbeitete Lebensmittel sind Aspekte dieses Trends hin zur Authentizität. Ähnlich wie Verantwortlichkeit muss auch Authentizität vermittelt werden. 

    Die Trends zur Verantwortlichkeit und Authentizität haben neue Möglichkeiten geschaffen, Lebensmittelprodukte mit Hilfe von immateriellen Eigenschaften zu positionieren, die dem Verbraucher vermittelt werden müssen. Aber gleichzeitig hat sich die grundlegende Art und Weise, auf welche Verbraucher Lebensmittel auswählen − durch vereinfachte, oft auf Gewohnheit basierenden Entscheidungen ohne Nutzung detaillierter Informationen − nicht verändert. Wie lässt sich dieses Paradox lösen?

    Personalisierte Technologie − Lösung für das Paradox

    Moderne Informationstechnologie kann die Lösung für dieses paradoxe Problem sein. Es gibt eine breite Auswahl an Mobilapplikationen, die versuchen, dem Verbraucher bei der Lebensmittelwahl zu helfen. Keine dieser Applikationen hat einen durchschlagenden Erfolg erzielt (eine jüngste Studie zur Nutzung von Entscheidungshelfer-Apps zeigte, dass sie hauptsächlich zur Erstellung von Einkaufslisten genutzt werden8). Das liegt daran, dass diese technologischen Hilfsmittel meist nur dazu führen, dass noch mehr Informationen zur Verfügung stehen. Sie erhöhen die Informationslast weiter, anstatt sie zu reduzieren. 

    Aber technologische Hilfsmittel haben auch das Potential, die Informationslast zu verringern. Sie müssen personalisiert werden. Ein Gerät, das Informationen auf der Basis eines personalisierten Informationsprofils filtert, könnte Verbrauchern helfen, vereinfachte Entscheidungen mit dem gesteigerten Interesse an Verantwortlichkeit und Authentizität sowie allgemeiner Gesundheit in Einklang zu bringen.

    Verbraucher oder Käufer?

    Wenn die Lebensmittelindustrie ernsthaft Kontakt mit den Verbrauchern aufnehmen will, um sie über ihre Produkte zu informieren, sollte sie Verbraucher vielleicht wirklich als Verbraucher behandeln − und nicht nur als Käufer. Für Verbraucher ist der Lebensmittelkauf ein Mittel und kein Zweck. Sie kaufen Lebensmittel, um Essen zuzubereiten. Sie vereinfachen ihre Lebensmittelwahl, um in einer komplexen Einkaufsumwelt zu überleben, aber das bedeutet nicht, dass sie sich nicht für ihr Essen interessieren. Es mag schwierig sein, mit Verbrauchern über ihr Einkaufsverhalten zu sprechen, aber vielleicht ist es einfacher, mit ihnen über ihr Essen zu sprechen. Eine stärkere Betonung der Essenzubereitung als Ergänzung zum derzeitigen Fokus auf den Kauf könnte neue Möglichkeiten zur Kommunikation mit den Verbrauchern öffnen. 

    Literatur

    1. Grunert KG (2005). Food quality and safety: consumer perception and demand. European Review of Agricultural Economics 32:369-391.

      Kahneman D (2003). Maps of bounded rationality: Psychology for behavioral economics. American Economic Review 93:1449-1475.

      Thøgersen J, Jørgensen AK & Sandager S (2012). Consumer decision making regarding a “green” everyday product. Psychology & Marketing 29:187-197.

      Grunert KG & Wills JM (2007). A review of European research on consumer response to nutrition information on food labels. Journal of Public Health 15:385-399.

      Grunert KG, Hieke S & Wills JM (2014). Sustainability labels on food products: Consumer motivation, understanding and use. Food Policy 44:177-189.

      Wills JM et al. (2012). European consumers and health claims: attitudes, understanding and purchasing behaviour. Proceedings of the Nutrition Society 71:229-236.

      Autio M et al. (2013). Consuming nostalgia? The appreciation of authenticity in local food production. International Journal of Consumer Studies 37: 564-568.

      Shi SW & Zhang J (2014). Usage Experience with Decision Aids and Evolution of Online Purchase Behavior. Marketing Science 33:871-882.

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