Eine strahlende Zukunft für Vitamin D

Zuletzt aktualisiert : 14/11/2011
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    In letzter Zeit fand sich Vitamin D europaweit wiederholt in den Schlagzeilen, mit dem Hinweis auf dringenden Handlungsbedarf hinsichtlich einer ausreichenden Vitamin D-Versorgung der Europäer. Doch was genau ist zu tun? Reichen Ernährung und Sonne aus, oder brauchen wir doch etwas zusätzliche Hilfe?

    Vitamin D – mehr als nur ein Vitamin

    Vitamin D ist ein einzigartiger Nährstoff, da er sowohl aus der Nahrung bezogen, als auch durch die Einwirkung von Sonnenlicht auf die nackte Haut aufgebaut werden kann. Das Vitamin ist essentiell für die optimale Verwertung von Calcium durch den Organismus, da es die Calciumaufnahme im Darm sowie die Einlagerung von Calcium in die Knochen fördert. Gleichzeitig ist es für die Steuerung des Calciumspiegels im Blut verantwortlich. Ein Mangel an Vitamin D führt zu Knochenstörungen wie Rachitis bei Kindern oder Osteoporose bei Erwachsenen. Zudem mehren sich die Hinweise dafür, dass Vitamin D zusätzlich noch zahlreiche andere Funktionen erfüllt. 

    Der allgemeine Begriff „Vitamin D” umfasst zwei unterschiedliche Verbindungen, nämlich Vitamin D2 und Vitamin D3, die sich in ihrer chemischen Struktur geringfügig voneinander unterscheiden. Vitamin D2, auch als Ergocalciferol bezeichnet, wird von Hefen produziert und vornehmlich als Nahrungszusatz verwendet. Vitamin D3 (Cholecalciferol) hingegen wird sowohl durch Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet, als auch mit Lebensmitteln tierischen Ursprungs aufgenommen. Beide Formen des Vitamin D werden zur Anreicherung von Lebensmitteln und in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt, doch gibt es Hinweise, dass Vitamin D3 potenter und stabiler als Vitamin D2 ist und daher als Lebensmittelzusatz bevorzugt werden sollte.

    Bildung von Vitamin D durch Sonneneinstrahlung 

    Vitamin D wird unter Einfluss von Sonnenlicht in der Haut aus Cholesterin synthetisiert. Genauer gesagt, ist es die ultraviolette Strahlung im Bereich von 280-315 nm, also der UV-B-Anteil des Sonnenlichts, der dafür sorgt, dass Vitamin D aus seinem Vorläufer 7-Dehydrocholesterin gebildet wird. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rät für eine ausreichende Vitamin D-Produktion, Gesicht und Arme täglich etwa 30 Minuten der Sonne auszusetzen (wobei ein Sonnenbrand zu vermeiden ist).2 Überschüssige Mengen dieses während der Sommermonate produzierten fettlöslichen Vitamins werden im Körper zur späteren Verwertung im Fettgewebe gespeichert. Ein Zuviel an Vitamin D durch Sonneneinstrahlung kann sich nicht ergeben, da ein körpereigener Regulationsmechanismus dafür sorgt, dass es bei übermäßiger Produktion zu einer wärmebedingten Aufspaltung in inaktive Vitamin D-Formen kommt. 

    Die über den Sommer angelegten Vitamin D-Speicher reichen jedoch in der Regel nicht für die ganze Wintersaison, und die in europäischen Breiten übliche Sonneneinstrahlung während der Wintermonate ist zu schwach, um ausreichende Vitamin-D-Spiegel zu erzeugen.3 Laut Aussagen der WHO besteht für Personen, die sich kaum im Freien aufhalten oder deren Haut immer fast gänzlich von Kleidung bedeckt ist, ein besonderes Risiko für einen Vitamin D-Mangel. Gleiches gilt für Menschen mit dunkler Haut, da die Hautpigmentierung die Menge an UV-B-Strahlung, die die Vitamin D-produzierenden Zellen erreicht, reduziert.2 Die häufige und gründliche Verwendung von Sonnenschutzmitteln, wie sie üblicherweise zum Schutz gegen Hautkrebs empfohlen wird, unterbindet in ähnlicher Weise die Synthese von Vitamin D in der Haut.4,5 Somit kommt der Aufnahme von Vitamin D mit der Nahrung eine wichtige Rolle zu. 

    Vitamin D in der Nahrung 

    Die WHO empfiehlt für Kinder und Erwachsene bis 50 Jahre (einschließlich schwangerer und stillender Frauen) eine tägliche Vitamin D-Zufuhr mit der Nahrung von 5 µg (= 200 Internationale Einheiten [I.E.]), während für Personen im Alter von 51–65 Jahren 10 µg (400 I.E.) und für Menschen ab 65 Jahren 15 µg (600 I.E.) empfohlen werden.2 Nationale Empfehlungen in Europa variieren je nach Land und sind tendenziell höher.6 Im Vergleich dazu empfiehlt das United States Institute of Medicine (IOM) in den USA derzeit eine Vitamin D-Zufuhr von 15 µg pro Tag für Menschen im Alter zwischen einem und 70 Jahren, und von 20 µg pro Tag für Personen über 70 Jahre.7 Diese neuen Empfehlungen des IOM stellen eine deutliche Erhöhung gegenüber vorherigen Richtlinien dar: Für Kinder ist die empfohlene tägliche Vitamin D-Aufnahme nunmehr dreimal so hoch wie zuvor, und für Erwachsene bis zu 70 Jahren wird eine 1,5- bis 3-mal so hohe Menge empfohlen. Dies spiegelt den signifikanten Fortschritt der Forschung auf dem Gebiet des Vitamin D wider. 

    Zu den Hauptquellen für Vitamin D zählen Lebensmittel wie Fischleber, Fischleberöle, fettreicher Fisch und Eidotter (siehe Tabelle 1) sowie mit Vitamin D angereicherte Lebensmittel wie Zerealien, Milch, Butter und Margarine.8

    Tabelle 1: Vitamin D-reiche Lebensmittel

    Lebensmittel

    Vitamin D (µg pro 100 g)

    Lebertran

    210.0

    Makrele, roh

    8.2

    Lachs, roh

    7.1

    Lachs, gegrillt

    5.9

    Eigelb

    4.9

    Quelle9

    Die vom Scientific Committee on Food festgelegten sicheren Obergrenzen für die Aufnahme von Vitamin D mit der Nahrung liegen bei 25 µg pro Tag für Kinder bis zum Alter von 10 Jahren und bei 50 µg pro Tag für den Rest der Bevölkerung.8 Im Vergleich dazu hat das IOM die sicheren Obergrenzen für die tägliche Vitamin D-Zufuhr mit 25 µg für Kleinkinder bis 6 Monate, 37,5 µg für Kleinkinder zwischen 6 und 12 Monaten, 62,5 µg für Kleinkinder bis 3 Jahre, 75 µg für Kinder im Alter von 4 bis 8 Jahren und mit 100 µg für Kinder ab 9 Jahren sowie für Erwachsene festgelegt.7 

    Inadäquate Vitamin D-Versorgung? 

    Die meisten Europäer erreichen nicht die für die Vitamin D-Aufnahme mit der Nahrung empfohlenen Mengen.2,3 Für Menschen, die eine adäquate Versorgung mit Vitamin D durch Sonneneinstrahlung und Ernährung nur schwerlich erreichen können, sind Vitamin D-Zusätze oder mit Vitamin D angereicherte Lebensmittel durchaus eine Option. Wie neuere Forschungsergebnisse gezeigt haben, ist zum Beispiel der Konsum eines mit Vitamin D angereicherten Orangensafts eine kostengünstige Möglichkeit, ausreichende Mengen an diesem Vitamin aufzunehmen.10 

    Programme zur Anreichung von Lebensmitteln mit Vitamin D, die einen großen Anteil der Bevölkerung zu erreichen anstreben, sind in mehreren Ländern bereits erfolgreich umgesetzt worden (z.B. die Anreicherung von Milch in Kanada). Dies konnte durch eine Analyse des Vitamin D-Status der Bevölkerung in diesen Ländern belegt werden. Die Anreichung von Lebensmitteln (egal ob verpflichtend oder freiwillig) muss hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gesamtzufuhr an diesem Vitamin überwacht werden. Verpflichtende Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D weist gegenüber freiwilligen Projekten eindeutig Vorteile auf, da es bei der freiwilligen Supplementierung innerhalb derselben Lebensmittelgruppe oder sogar derselben Marke (z.B. bei Frühstückszerealien) zu starken Variationen in den zugefügten Mengen kommen kann. Aus diesem Grund empfehlen die Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesen zur Sicherstellung der Vitamin D-Versorgung neben der Grundversorgung aus Lebensmitteln (einschließlich angereicherter Lebensmittel) eine Supplementierung, die klar definierte Tagesmengen liefert. Dies gilt insbesondere für Risikogruppen wie ältere Menschen und Frauen nach den Wechseljahren.11 

    Welche Option auch immer gewählt wird: Zu beachten ist stets, dass die Tageszufuhr an Vitamin D die vom europäischen Scientific Committee on Food festgesetzten altersbezogenen, sicheren Obergrenzen von 25 bzw. 50 µg (1000 bzw. 2000 I.E.) nicht überschreiten sollte.8 Besonders Personen mit höherer Vitamin D-produzierender UV-Exposition sollten darauf achten, bei der Aufnahme des Vitamins mit der Nahrung innerhalb der sicheren Obergrenzen zu bleiben. Eine übermäßige Zufuhr an Vitamin D (Hypervitaminose D) macht sich mit klinischen Symptomen wie Anorexie, Gewichtsverlust, Schwäche, Erschöpfungszuständen, Desorientierung, Erbrechen und Verstopfung bemerkbar.

    Der Nutzen von Vitamin D – Bekanntes und Neues 

    Vitamin D ist ein wichtiger Mikronährstoff zur Aufrechterhaltung der Gesundheit der Knochen, jedoch auch für die Muskelfunktion und das Gleichgewicht – ein Mangel führt leicht zu erhöhtem Knochenbruchrisiko. Abgesehen davon, dass Vitamin D für anhaltend starke Knochen sorgt, reduziert eine adäquate Versorgung mit diesem Vitamin auch das Risiko für Knochenbrüche infolge von Stürzen um etwa 20–30%; gerade diese sturzbedingten Frakturen stellen bei der älteren Bevölkerung ein großes Problem dar.12 Doch auch in anderen Bereichen könnte sich Vitamin D als nützlich erweisen, z.B. gegen den Verlust kognitiver Fähigkeiten bei alten Menschen, bei multipler Sklerose, rheumatoider Arthritis, Diabetes und manchen Krebsarten (Brust-, Kolorektal-, Prostatakrebs).13-15 Der Bericht des IOM weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass noch weitere Forschungstätigkeit in diesen Bereichen erforderlich ist, um den Nutzen von Vitamin D zu bestätigen.

    Schlussfolgerung

    Für Europäer mit einem Risiko für eine Vitamin D-Unterversorgung können bereits tägliche kurze Aufenthalte in der Sonne während des Spätfrühlings, Sommers und Frühherbstes eine adäquate Versorgung mit diesem Vitamin sicherstellen. Bei kurzen Sommersaisons, in Kombination mit einem Lebensstil ohne viele Aufenthalte im Freien einerseits und Hautkrebsbedenken andererseits, kommt die Bedeutung diätetischer Maßnahmen zur Deckung des individuellen Bedarfs an Vitamin D zum Tragen. Zu diesen Maßnahmen zählen der Konsum von mit Vitamin D angereicherten Lebensmitteln oder entsprechender Nahrungsergänzungsmittel. Dies gilt insbesondere für jene Bevölkerungsgruppen, bei denen ein erhöhtes Risiko für die Unterversorgung mit diesem Vitamin besteht. 

    Literatur

    1. Houghton LA and Vieth R. (2006). The case against ergocalciferol (vitamin D2) as a vitamin supplement. American Journal of Clinical Nutrition 84(4):694-697.
    2. WHO. (2004). Vitamin and Mineral Requirements in Human Nutrition, 2nd Edition. Geneva, Switzerland.
    3. Ovesen et al. (2003). Geographical differences in vitamin D status, with particular reference to European countries. Proceedings of the Nutrition Society 62:813-821.
    4. WHO Fact sheet N° 305. Ultraviolet radiation and human health. December 2009.
    5. Norval M, Wulf HC. (2009). Does chronic sunscreen use reduce vitamin D production to insufficient levels? British Journal of Dermatology 161(4):732-736.
    6. Doets EL et al. (2008) Current micronutrient recommendations in Europe: towards understanding their differences and similarities. European Journal of Nutrition 47 Supplement 1:17-40.
    7. Institute of Medicine. (2010). DRIs for Calcium and Vitamin D. 
    8. Scientific Committee on Food. (2002). Opinion of the Scientific Committee on Food on the Tolerable Upper Intake Level of Vitamin D. 
    9. Food Standards Agency (2002). McCance and Widdowsons’s The Composition of Foods, 6th summary edition. Cambridge: Royal Society of Chemistry.
    10. Biancuzzo RM et al. (2010). Fortification of orange juice with vitamin D2 or vitamin D3 is as effective as an oral supplement in maintaining vitamin D status in adults. American Journal of Clinical Nutrition 91:1621-1626.
    11. Flynn MAT et al. (2008). Folic acid food fortification: the Irish experience. Proceedings of the Nutrition Society 67:381-389.
    12. Bischoff-Ferrari HA et al. (2009). Fall prevention with supplemental and active forms of vitamin D: a meta-analysis of randomised controlled trials. British Medical Journal 339:b3692.
    13. Buell et al. (2009). Vitamin D Is Associated With Cognitive Function in Elders Receiving Home Health Services. Journal of Gerontology 664:888-895.
    14. Holick MF. (2004). Sunlight and vitamin D for bone health and prevention of autoimmune diseases, cancers, and cardiovascular disease. American Journal of Clinical Nutrition 80(6 Suppl):1678S-1688S.
    15. Giovannucci E et al. (2006). Prospective study of predictors of vitamin D status and cancer incidence and mortality in men. Journal of the National Cancer Institute 98(7):451-459.