Fünf alternative Proteinquellen, die in Europa immer beliebter werden

Zuletzt aktualisiert : 19/04/2023
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    Der EU-Markt für alternative Proteinquellen ist in den letzten Jahren stetig gewachsen: Die Verkäufe alternativer Fleisch- und Milchproteine sind zwischen 2010 und 2020 jährlich um 10 % gestiegen.1 Welche „alternativen Proteine“ sind derzeit am beliebtesten? Dieser Artikel erklärt, warum wir sie ernst nehmen sollten, und zeigt fünf Optionen, die helfen können, die Fleischmengen auf unseren Tellern zu reduzieren.

    Fünf alternative Proteinquellen, die in Europa immer beliebter werden

    Was sind alternative Proteine und warum brauchen wir sie?

    In Europa sind Fleisch, Fisch und Milchprodukte seit Langem die Hauptproteinquelle in der Ernährung. Die Art und Weise, wie wir Lebensmittel produzieren, hängt jedoch stark von intensiver Tierhaltung und Fischerei ab und bedroht die Umwelt. Da die Weltbevölkerung schnell wächst, brauchen Lebensmittelsysteme Alternativen, die dazu beitragen können, die wachsende Nachfrage nach Proteinen nachhaltig zu decken. Die Erhöhung der Vielfalt und die Verringerung der Menge des Proteins, das wir essen, werden entscheidend sein, um dieses Ziel zu erreichen.2

    Alternative Proteine sind nicht-traditionelle proteinreiche Lebensmittel.3 Diese innovativen Lebensmittel zielen darauf ab, mit herkömmlichen tierischen Produkten zu konkurrieren, indem sie nachhaltige, nahrhafte und schmackhafte proteinreiche Optionen bieten. In Europa werden derzeit vor allem fünf Proteinalternativen entwickelt: pflanzliche Fleischersatzstoffe, im Labor gezüchtetes Fleisch, Fermentationsprodukte, essbare Insekten und Algen.2

    1. Pflanzliche Proteine und pflanzliche Fleisch- und Milchalternativen

    Fleisch-  und Milchalternativen auf pflanzlicher Basis sind Lebensmittel, die so konzipiert sind, dass sie wie Fleisch oder Milchprodukte aussehen, schmecken und zubereitet werden, aber aus Zutaten wie Gemüse, Hülsenfrüchte, Getreide, Nüsse und Samen bestehen. Mithilfe moderner Technologien werden diese pflanzlichen Alternativen immer raffinierter. So gibt es zum Beispiel pflanzliche Burger, die wie rosa gegartes Fleisch „bluten“ – hierfür wird Rübensaft verwendet.4 

    Der Vorteil von pflanzlichen Proteinen ist, dass ihre Herstellung weniger natürliche Ressourcen benötigt und im Vergleich zu Nutztieren erheblich geringere Treibhausgasemissionen verursacht. Dennoch hängen die Umweltauswirkungen der Endprodukte letztlich von anderen Faktoren wie den verwendeten Inhaltsstoffen und den Verarbeitungs- und Vertriebstechniken ab. Denn dass diese Produkte aus Pflanzen bestehen, bedeutet nicht unbedingt, dass sie gesund sind, da einige immer noch reich an Salz oder gesättigten Fetten oder arm an Mikronährstoffen, die wir im Allgemeinen aus tierischen Lebensmitteln erhalten, sein können.

    Der Verzehr von pflanzlichen Proteinen wird im Allgemeinen weniger von den Verbrauchern kritisiert als der Konsum anderer alternativer Proteine, und Fortschritte in der Technologie werden dazu beitragen, die Attraktivität der Produkte zu verbessern und die Preise zu senken, was mehr Menschen davon überzeugen könnte, sich für sie zu entscheiden.4,5  

    2. Kulturfleisch/Laborfleisch

    Um Fleisch in einem Labor zu züchten, werden Tieren Stammzellen entnommen und einem Nährmedium zugesetzt, wo sie sich vermehren und mithilfe von Gerüsten zu Muskelgewebe wachsen.6 So kann man Fleisch verzehren, ohne dass dafür Tiere gehalten werden müssen. Kulturfleisch soll eine umweltfreundlichere und ethischere Alternative zu Fleisch darstellen, ohne dass auf Geschmack und Textur verzichtet werden muss. Trotz dieser Ambitionen steht die aktuelle Produktion von Kulturfleisch immer noch vor großen technischen, regulatorischen und finanziellen Hindernissen. Am bemerkenswertesten sind die hohen Produktionskosten und der Einsatz energieintensiver Technologien.7

    Neben der Notwendigkeit, den Geschmack und die Textur von im Labor gezüchtetem Fleisch zu verbessern, muss die Industrie noch lernen, wie sie den Übergang von kleinen Prozessen zu einer kosteneffizienten Massenproduktion schaffen kann, wenn derartige Produkte mehr Menschen zu einem vernünftigen Preis zur Verfügung stehen sollen. Außerdem brauchen wir mehr Daten über die Nährstoffqualität und -sicherheit von Fleischprodukten aus dem Labor, wenn sie von den europäischen Regulierungsbehörden zugelassen werden sollen. In Singapur haben einige Laborfleischprodukte bereits die Risikobewertung bestanden und wurden für den Verkauf zugelassen. Wenn die Produktion in großem Maßstab machbar und erschwinglich wird, wird die Akzeptanz durch die Verbraucher eine weitere Herausforderung sein, die es zu meistern gilt, bevor sich Kulturfleisch auf dem Markt etablieren kann.7 In diesem Artikel erfahren Sie mehr darüber, wie im Labor gezüchtetes Fleisch hergestellt wird und welche Vorteile und Herausforderungen es mit sich bringt.

    3. Alternativen aus Fermentationsprozessen, zum Beispiel Mykoprotein

    Ähnlich wie bei der traditionellen Fermentation – bei der Mikroben bestimmte Verbindungen in Lebensmitteln umwandeln, wobei sich die Textur und der Geschmack ändern – wird bei der Fermentation von Biomasse und der Präzisionsfermentation Mikroorganismen genutzt, um alternative Proteine zu erzeugen.8

    Die Fermentation von Biomasse nutzt das schnelle Wachstum einiger proteinreicher Mikroorganismen, um große Mengen an Protein herzustellen. Spezifische Organismen, von Hefe über filamentöse Pilze bis hin zu Mikroalgen, können ihr Gewicht innerhalb weniger Stunden verdoppeln und enthalten über 50 % Protein in der Trockenmasse. Die entstehende mikrobielle Biomasse kann als Lebensmittel allein oder als Zutat für die Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden. Ein beliebtes Beispiel ist das Mykoprotein, für das durch Fermentation filamentöse Pilze gezüchtet werden, mit denen dann Fleischersatz hergestellt wird.8

    Die Präzisionsfermentation führt Gensequenzen von tierischen Proteinen in Organismen wie Hefe ein, die diese „Produktionsanweisungen“ verwenden, um große Mengen der Zielproteine zu erzeugen. Die resultierenden Proteine werden dann mit anderen Inhaltsstoffen (wie pflanzlichen Fetten) gemischt, um tierfreie Produkte zu schaffen, die mit Fleisch, Meeresfrüchten, Eiern und Milchprodukten konkurrieren sollen. Derzeit verwenden einige europäische und US-amerikanische Unternehmen die Präzisionsfermentation, um Eiweiß, Milchproteine und Myoglobin herzustellen – ein Protein, das Fleisch seinen einzigartigen Geschmack und sein Aroma verleiht.8 In der EU würden diese Produkte als neuartige Lebensmittel eingestuft und müssten einer Risikobewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) unterzogen werden, bevor sie in Verkehr gebracht werden dürfen.  

    Ein Vorteil der Fermentation ist die Fähigkeit, faserige Texturen zu schaffen, die denen echter Fleischstücke näher kommen und in der Regel schwer nachzuahmen sind. Dennoch befindet sich die Massenproduktion noch in einem frühen Stadium, und beide Prozesse müssen nicht nur noch kosteneffizienter werden, sondern dann auch die Vorschriften für die Lebensmittelsicherheit einhalten. Dies könnte durch die Verbesserung und Erforschung neuer Stämme von Mikroorganismen und die Verbesserung des Designs der in der Produktion verwendeten Bioreaktoren erreicht werden.8

    4. Essbare Insekten

    Obwohl Insekten in anderen Ländern traditionell verzehrt werden, gelten sie in Europa als neuartige Lebensmittel und brauchen die Genehmigung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, bevor sie verkauft werden können. Es gibt vier Arten, die in Europa gesetzlich zum Verkauf zugelassen sind:⁠Wanderheuschrecke, Hausgrille, gelber Mehlwurm und kleiner Mehlwurm. Einige davon werden bereits zur Herstellung von Proteinriegeln, Mehl und anderen Produkten verwendet, die in Supermarktregalen zu finden sind.9

    Insekten wie Grillen, Grashüpfer und Heuschrecken können bis zu 61 % Protein bezogen auf das Trockengewicht enthalten, was sie zu geeigneten Kandidaten für die Anreicherung von Nahrungs- und Futtermitteln macht. Einer der größten Vorteile von Insekten ist, dass sie sich schnell vermehren und weniger Futter benötigen als andere Tiere. Sie können auch mit organischen Seitenströmen (von Gülle bis zu Lebensmittelabfällen) gefüttert werden, was die Umweltverschmutzung und die Produktionskosten senkt.10 Der Verzehr von Insekten ist jedoch nicht ganz risikofrei, da einige das Potenzial haben, allergische Reaktionen auszulösen, die denen durch Schalentiere ähneln. Die Akzeptanz durch die Verbraucher wird ein großes Hindernis darstellen, das überwunden werden muss, wenn Insekten zu einem Bestandteil der Ernährung der Menschen in Europa werden sollen. Viele europäische Verbraucher sind noch nicht dazu bereit, Insekten zu essen.11  

    5. Algen

    Die Algenfamilie umfasst Makroalgen (Seetang) und Mikroalgen, die beide als wichtige Quellen alternativer Proteine für ein nachhaltiges Ernährungssystem und die globale Ernährungssicherheit aufgezeigt wurden.12 Insbesondere Mikroalgen gewinnen als wettbewerbsfähige proteinreiche Inhaltsstoffe für Nahrungs- und Futtermittel an Zugkraft.

    Mikroalgen sind Mikroorganismen – die im Allgemeinen aus einer einzigen Zelle bestehen –, die sich schnell zu einer nährstoffreichen Biomasse vermehren, indem sie Wasser, Licht und eine Nährstoffquelle wie Kohlendioxid verwenden. Sie sind für ihren hohen Proteingehalt bekannt. Arten wie Spirulina können einen Proteinanteil von 70 % in ihrer Trockenmasse erreichen und die Proteinqualität von Arten wie C. vulgaris und A. platensis ist mit der von Sojabohnen vergleichbar. Darüber hinaus kann ihre Produktion zu einer Kreislaufwirtschaft beitragen, da sie das Potenzial haben, an Abwasser zu wachsen und mit verschiedenen organischen Abfällen oder Seitenströmen (wie Lebensmittelabfällen, Nebenprodukten aus der Lebensmittelverarbeitung oder Kohlendioxid aus der Luft) gefüttert werden können.13

    Derzeit produzieren mindestens 30 Länder verschiedene Arten von Mikroalgen, und die Forschung hilft der Branche, den Sprung von der Klein-zur Großproduktion zu schaffen.13 Hindernisse sind die hohen Produktions- und Energiekosten sowie der Bedarf an effizienteren Anbau- und Verarbeitungstechniken. Das Projekt ProFuture untersucht innovative Prozesse, um den großflächigen Anbau kostengünstiger und nachhaltiger zu gestalten. Die Forscher arbeiten auch daran, Zutaten zu entwickeln, die eine weniger starke (grüne) Farbe und einen weniger starken Meeresgeschmack haben, um die Akzeptanz von mit Mikroalgen angereicherten Lebensmitteln durch die Verbraucher zu erhöhen.

    Schlussfolgerungen

    Fleischalternativen auf pflanzlicher Basis, Kulturfleisch, mikrobielle Produkte, essbare Insekten und Algen haben das Potenzial, als nachhaltigere Proteinquellen herkömmliche in Lebens- und Futtermitteln zu ersetzen. Die Auswirkungen der verschiedenen Lebensmittel auf Gesundheit, Sicherheit und Umwelt hängen jedoch letztendlich von den verwendeten Zutaten, den Herstellungs- und Verarbeitungstechniken sowie dem Kontext ab, in dem sie der Ernährung zugesetzt werden.14

    In der letztenZeit sind alternative Proteine zu einem Schlüsselbereich der Forschung für die Europäische Kommission geworden. Diese will deren Potenzial nutzen, um dazu beizutragen, Lebensmittelsysteme nachhaltiger und widerstandsfähiger zu gestalten.4 Bei der Bewältigung dieser Herausforderungen werden öffentlich finanzierte Forschung und Innovationen eine Schlüsselrolle spielen. Dazu gehören die Überwindung finanzieller und technischer Hindernisse für die Massenproduktion, die Senkung des Energiebedarfs, die Verbesserung der sensorischen Aspekte der Produkte (wie Geschmack und Textur) und die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen fürdie Lebensmittelsicherheit.

    So geht es weiter

    Eine Reihe EU-finanzierter Projekte zielt darauf ab, den Weg für alternative Proteine in Europa zu ebnen, zum Beispiel ProFuture, dasinnovative Mikroalgen-Lebens- und Futtermittel entwickelt, NextGenProteins, das sich mit der Umwandlung von Biomasse in Proteine befasst, SUSINCHAIN, das sich auf nachhaltige Insekten-Wertschöpfungsketten konzentriert, und Smart Protein, das darauf abzielt, eine neue Reihe nachhaltiger, nahrhafter und kostengünstiger proteinreicher Lebensmittel herzustellen. Solche groß angelegten Kooperationen sind von entscheidender Bedeutung, um das volle Potenzial verschiedener alternativer Proteinquellen auszuschöpfen, unseren Proteinkonsum zu diversifizieren und schließlich dazu beizutragen, unsere Lebensmittelsysteme widerstandsfähiger zu machen.

     

    EU flagDieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit ProFuture erstellt. ProFuture hat im Rahmen des Horizont 2020 Forschungs- und Innovationsprogramms der Europäischen Union Fördermittel unter der Finanzhilfevereinbarung Nr. 862980 erhalten.

    References

    1. ING (2020). Growth of meat and dairy alternatives is stirring up the European food industry. Accessed February 19, 2022.
    2. EIT Food (2022). Protein Diversification – an EIT Food White Paper.
    3. European Food Safety Agency (EFSA) website. Novel food section. Assessed February 19.
    4. He J, Evans NM, Liu H, et al. (2020) A review of research on plant-based meat alternatives: Driving forces, history, manufacturing, and consumer attitudes. Comprehensive Reviews In Food Science And Food Safety 19(5)2639-2656.
    5. Nezlek BJ, Forestell, AC (2022) Meat substitutes: current status, potential benefits, and remaining challenges. Current Opinion in Food Science 47:100890.
    6. Siddiqui, S, et al. (2022) Cultured meat: Processing, packaging, shelf life, and consumer acceptance, Lebensmittel-Wissenschaft und-Technologie 172:114192.
    7. Ye Y, Zhou J, Guan X, et al. (2022) Commercialization of cultured meat products: Current status, challenges, and strategic prospects. Future Foods 6:100177.
    8. Good Food Institute (2021). State of the Industry Report: Fermentation.
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    10. Lange WK & Nakamura Y (2021). Edible insects as future food: chances and challenges. Journal of Future Foods 1:38-46.
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    13. Gohara-Beirigo, A et al. (2022) Microalgae trends toward functional staple food incorporation: Sustainable alternative for human health improvement. Trends in Food Science & Technology 125:185-199.
    14. IPES-Food (2022) The politics of protein: examining claims about livestock, fish, ‘alternative proteins’ and sustainability.
      /var/www/html/euficNG/en/system/ee/legacy/libraries/Functions.php(670) : eval()'d code