Klimawandel: Mögliche Auswirkungen auf die Lebensmittelsicherheit?

Zuletzt aktualisiert : 01 June 2014
Inhaltsverzeichnis

    Es herrscht zunehmende Übereinstimmung, dass die menschlichen Aktivitäten das Klima unseres Planeten verändern könnten. Von diesen Klimaänderungen geht eine Reihe möglicher Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen aus - eine davon ist die Sicherheit unserer Lebensmittel.

    Hintergrund

    menschliche Aktivitäten große Mengen an Gas wie Kohlendioxid und Methangas in die Atmosphäre entlassen. Die Mehrheit dieser Gase stammt aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, aus industriellen Prozessen und aus der Abholzung von Wäldern.1 Basierend auf Daten von 2008 wird die Freilassung von Gasen aus Nahrungsmittelsystemen auf 19-29 % geschätzt.2 Diese Gase in der Atmosphäre, die so genannten Treibhausgase, fangen Energie ein und wirken wie eine Decke über der Erde. Dieser Effekt, der als Treibhauseffekt bezeichnet wird, wird auf einen allgemeinen Anstieg der Temperatur der Erdatmosphäre („globale Erwärmung“) zurückgeführt; allerdings gibt es eine Minderheit, die dieser Meinung widerspricht. Dieser Effekt der Erwärmung kann sich auf das Klima der Erde auswirken, es ändern und somit zu einem Klimawandel führen.1,3

    Der jüngste Bericht der Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe zum Klimawandel (IPCC) besagt, dass “die Klimaerwärmung eindeutig und der menschliche Einfluss klar ist, und dass die Begrenzung des Kli-mawandels erhebliche und nachhaltige Verringerungen der Treibhaus-gasemissionen erfordern wird.”4

    Klimawandel 

    Klimawandel bedeutet eine signifikante und anhaltende Änderung der Wetterbedingungen.1,3 Diese Änderungen können zu einer Häufung ext-remer Wetterereignisse führen, z. B. stärkere Stürme, häufiger auftre-tende heftige Regenfälle und ausgedehnte Trockenperioden.3 Der glo-bale Temperaturanstieg kann auch zum Schmelzen der polaren Eiskappen, zu einem Anstieg des Meeresspiegels, zur Versauerung der Ozeane, zu Küstenüberflutungen und zu Änderungen der Meeres-strömungen führen.1,3,4,5,6 Jüngsten Schätzungen des IPCC zufolge gilt in einigen Teilen der Welt ein Anstieg der Temperatur um 1,5 °C oder mehr bis zum Ende des 21. Jahrhunderts als wahrscheinlich.4

    Klimawandel: Mögliche Auswirkungen auf die Lebensmittelsicher-heit? 

    Mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf die Verfügbarkeit von und den Zugang zu Lebensmitteln (d. h. die Nahrungsgarantie bzw. die Nahrungssicherstellung) sind umfangreich erforscht und diskutiert worden. Allgemein wird davon ausgegangen, dass der Klimawandel einen negativen Einfluss auf die Nahrungsgarantie hat, insbesondere in Entwicklungsländern.3,7,8

    Im Gegensatz dazu gehören die Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensmittelsicherheit zu einem relativ jungen For-schungsbereich.9 Das Referat für neu auftretende Risiken der Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat den Klimawandel mittel- bis langfristig als eine der Ursachen für auftretende Risiken bei der Lebens- und Futtermittelsicherheit identifiziert.10 Ein besseres Verständnisses möglicher Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensmittelsicherheit ist wichtig, wenn man bedenkt welche Auswirkungen ein solcher Klimawandel auf die Nahrungssicherstellung haben kann.7,11,12

    Nachstehend folgt ein kurzer Überblick über mögliche Auswirkungen des Klimawandels. Einige dieser Thesen beruhen auf Daten, andere sind spekulativer Natur.

    Mikrobielle Probleme 

    Die Fähigkeit von Mikroorganismen (z. B. Bakterien, Viren, Parasiten) zu überleben und sich zu vermehren wird von der Umwelt beeinflusst, einschließlich Temperatur und Feuchtigkeit. Viele Krankheitserreger wie Salmonellen (Salmonella) und Campylobacter Bakterien gedeihen gut unter warmen, feuchten Bedingungen.3,6,9,13,14,15,16,17 Darüber hinaus weisen auch viele lebensmittelbedingte Erkrankungen saisonale Änderungen hinsichtlich ihrer Verbreitung auf.7,13,17,18

    Temperaturanstieg und Feuchtigkeit sowie extreme Wetterbedingun-gen werden sich auf die Fähigkeit vieler Krankheitserreger in Lebens-mitteln auswirken, unter solchen Bedingungen zu überleben und/oder sich zu vermehren.3,6,9,13,14,15,16,17 Einige dieser Auswirkungen in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit können positiv oder negativ sein, d. h. sie kön-nen die Fähigkeit von Krankheitserregern zu überleben/sich zu ver-mehren vermindern oder erhöhen. Allerdings hängt das von den jewei-ligen speziellen Anforderungen der Mikroorganismen an ihre Überle-bens-/Vermehrungsfähigkeit ab, sowie von ihrer Fähigkeit, unter Stressbedingungen zu überleben und sich zu vermehren.3

    Der Klimawandel kann auch die Ausbreitung und Übertragung von Krankheitserregern in Lebensmitteln beeinflussen. Beispielsweise kön-nen höhere Temperaturen im Sommer sowie mildere Winter die Häu-figkeit von Schädlingen, wie Insekten und Nagetiere, erhöhen, welche Krankheitserreger in Lebensmitteln verbreiten können.3,6,9,13,14,15,16,17 In ähnli-cher Weise können extreme Regenfälle, die zu Überflutungen führen, die Übertragung von Krankheitserregern auf Agrarpflanzen unterstüt-zen.16 Auf diese und andere Weisen kann der Klimawandel das Vor-kommen lebensmitttelbedingter Erkrankungen und/oder die Fähigkeit von Erregern, Krankheiten zu verursachen, verändern.7,13,17,18

    Weitere potenzielle Auswirkungen des Klimawandels sind:

    • Das Auftauchen neuer mikrobieller Gefahren aufgrund der Pflan-zen die angebaut werden und der damit zusammenhängenden landwirtschaftlichen Verfahren (z. B. die zunehmende Verwen-dung unbehandelter tierischer Abfälle zur Düngung).
    • Eine Zunahme an Antibiotika-resistenten Krankheitserregern als Folge der steigenden Verwendung von Tierarzneimitteln bei Nutztieren.3,6  Antimikrobielle Resistenz kann entweder durch spontane Änderungen des genetischen Aufbaus einer Zelle oder durch die stabile Einbindung mobiler genetischer Elemente, die zwischen Mikroorganismen übertragen werden, verursacht werden.20

    Die Auswirkungen des Klimawandels könnten bei Lebensmittelinfektionen mit niedriger Dosierung (d. h. eine geringe Anzahl von Zellen verursacht die Krankheit) stärker ersichtlich werden, da geringe Änderungen in ihrer Zahl und Verbreitung zu einem Anstieg lebensmittelbedingter Erkrankungen führen könnten.3

    Chemische Probleme 

    Änderungen in der Natur, dem Grad und der Übertragung verschiede-ner Chemikalien, Schadstoffe und Giftstoffe können sich auf die Si-cherheit unserer Lebensmittel auswirken.18 Der Klimawandel kann sich auf landwirtschaftliche Verfahren auswirken. Welche Agrarprodukte angebaut werden, und wie sie angebaut werden, wird sich in verschie-denen Ländern ändern.7 Art und Häufigkeit von Schädlingen (z. B. In-sekten und Nagetiere) und Unkräutern werden sich ändern. Dadurch können sich Art, Grad und Einsatz von Chemikalien (z. B. von Pestizi-den) und Düngemitteln ändern. Allerdings ist die Verwendung von Chemikalien bei Agrarprodukten in Europa streng reguliert und wird ebenso streng überwacht, um die Sicherheit dieser Lebensmittel zu gewährleisten.3,12,16

    Giftstoffe, z. B. Mykotoxine, werden von einigen Pilzen, die auf Agrar-produkten wachsen, gebildet. Sie können durch kontaminierte Agrar-produkte oder indirekt über tierische Produkte (z. B. Fleisch oder Milch von Tieren, die kontaminiertes Futter gefressen haben) verzehrt werden. Die Erzeugung dieser Giftstoffe kann durch Temperatur und Feuchtigkeitsbedingungen beeinflusst werden.16 Beispielsweise hat das Referat für neu auftretende Risiken der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veränderte Muster der Mykotoxin-Kontamination bei Getreideprodukten wie Weizen, Mais und Reis fest-gestellt.21

    Mykotoxine können sowohl bei Tieren als auch bei Menschen eine große Bandbreite giftiger Effekte auslösen. Einige der verbreitetsten Mykotoxine sind krebserregend, genotoxisch oder greifen bestimmte Organe wie Niere oder Leber an.22

    Ein Anstieg der Meerestemperatur kann sich auch auf die Vermehrung gefährlicher Algen auswirken. Diese erzeugen marine Biotoxine die sich in Meeresfrüchten - z. B. Miesmuscheln und Venusmuscheln - und einigen Fischen, die bei der Lebensmittelerzeugung verwendet werden, konzentrieren können, und die, wenn sie verzehrt werden, Krankheiten bei Menschen auslösen können.7 Erst kürzlich wurden der Ausbruch einer Ciguatera-Vergiftung (die nach dem Verzehr einiger Fischarten vorkommen kann, bei denen Plankton Ciguatoxin gebildet hat, das sich im Fleisch der Fische, die das Plankton verzehrt haben, angesammelt hat) im Zusammenhang mit dem Verzehr von kon-taminiertem Fisch auf den Kanarischen Inseln gemeldet, mindestens 10 Personen waren betroffen.23

    Ist Europa auf solch mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensmittelsicherheit vorbereitet? 

    Europäische Lebensmittelsicherheit gehört zu den höchsten weltweit. Sie wird durch ein umfangreiches Rechtssystem, gekoppelt mit stren-ger Lebensmittelüberwachung, Durchsetzung und wissenschaftlicher Forschung, kontrolliert. Das schützt die Verbraucher langfristig gegen bestehende und aufkommende Probleme der Lebensmittelsicherheit, welche mit einem Klimawandel einhergehen könnten.9

    Die Grenzwerte für einige mikrobiologische und chemische Schad- und Giftstoffe sind auf europäischer Ebene durch detaillierte Rechtspre-chung festgesetzt. Die Kontrollsysteme zum Schutz der Verbraucher existieren also bereits. Zusätzlich liefert die Infrastruktur der europäi-schen Lebensmittelsicherheit den Rahmen für eine Anpassung an auf-kommende Probleme.24

    Schlussfolgerung und die Zukunft 

    Es ist unmöglich, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebens-mittelsicherheit in vollem Umfang zu beurteilen. Es ist jedoch wahr-scheinlich, dass einige Auswirkungen auf mikrobiologische und chemi-sche Gefahren zu sehen sein werden. Das Ausmaß des Risikos, das diese Gefährdungen darstellen, wird von der Art der Gefährdung und den örtlichen Gegebenheiten und Praktiken abhängen.18

    Aufgrund unvollständigen Wissens um die Risiken, die der Klimawandel für die Lebensmittelsicherheit darstellt existiert Ungewissheit.3 Es ist deshalb erforderlich, die Infrastruktur für Lebensmittelsicherheit, die heute in ganz Europa besteht, nicht nur beizubehalten, sondern auch zu ständig zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern. Dies erfordert anhaltende Investitionen in die Überwachung und Kontrolle unserer Lebensmittel, verbunden mit Risikobeurteilung, Management und Kommunikation. 

    Verweise

    1. IPCC, 2023: Summary for Policymakers. In: Climate Change 2023: Synthesis Report. A Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Contribution of Working Groups I, II and III to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Cli
    2. FAO. 2022. Thinking about the future of food safety – A foresight report. Rome. https://doi.org/10.4060/cb8667en
    3. Vermeulen SJ, Campbell BM & Ingram JS (2012). Climate Change and Food Systems. Annual Review of Environment and Resources 37:195-222.
    4. Miraglia M, Marvin HJ, Kleter GA, et al. (2009). Climate change and food safety: An emerging issue with special focus on Europe. Food Chemical Toxicology 47:1009-1021.
    5. Morand S, Owers KA, Waret-Szkuta A, et al. (2013). Climate variability and outbreaks of infectious diseases in Europe. Scientific Reports 3 Article No. 1774:1-6.
    6. EFSA, Maggiore A, Afonso A, Barrucci F, De Sanctis G, 2020. Climate change as a driver of emerging risks for food and feed safety, plant, animal health and nutritional quality EFSA supporting publication 2020:EN-1881. 146pp
    7. Morand S, Owers KA, Waret-Szkuta A, et al. (2013). Climate variability and outbreaks of infectious diseases in Europe. Scientific Reports 3 Article No. 1774:1-6.
    8. Nichols G & Lake I (2012). Water and food-borne diseases under climate change (pp. 200-226). In: Vardoulakis S & Heaviside C (eds.) Health effects of climate change in the UK 2012 - current evidence, recommendations and research gaps. Oxfordshire, UK: Heal
    9. Russell. R, Paterson M & Lima N (2010). How will climate change affect mycotoxins in food? Food Research International 43:1902–1914.
    10. Holifood project